19 Von der Logistik bis hin zur Beratung: Künstliche Intelligenz soll Fachkräfte in der Apotheke in vielen Bereichen entlasten. Womit in Kürze zu rechnen ist und wie sich der Arbeitsalltag durch innovative Technologien wandeln könnte – ein Überblick. KI-basierte Technologien eingesetzt werden. Diese können blitzschnell Prognosen erstellen, in denen Ver- kaufsdaten, saisonale Aspekte und Faktoren wie die Lagergröße und Be- stellkonditionen berücksichtigt sind. Die Arbeitsgruppe für Supply Chain Services des Fraunhofer ISS entwickelt gerade Ü ber den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) in Apotheken wird seit Jahren zunehmend diskutiert. Auf dem deutschen Apo- thekertag 2023 hat etwa die Apo- thekerkammer Berlin einen Antrag zur Auseinandersetzung mit KI gestellt, um Potenziale zu erkennen und für Apo- theken zu nutzen. Auch die ABDA hat jetzt ein Positionspapier zum Einsatz von KI in der Pharmazie entwickelt. „Im Moment befinden wir uns bei dem Thema aber noch ganz am Anfang“, sagt Prof. Dr. med. Klaus Juffernbruch, Professor für Gesundheit und Sozial- management an der FOM Hochschule und Vorsitzender der Expertengruppe „Intelligente Gesundheitsnetze”. Er vergleicht den heutigen Stand von KI mit dem der Mobiltelefonie in den frühen 80er-Jahren, als das erste Handy noch 800 Gramm wog und 30-minütige Tele- fonate ermöglichte. Heute hat jedes Smartphone mehr Rechenpower als der IBM-Supercomputer von 1997, der den Schachweltmeister besiegt hat, fährt er fort. Die KI werde sich ähnlich rasant entwickeln. Einzelnen Apotheken rät er, auf fertige branchenspezifische KI- Lösungen von Apothekenrechenzentren und Herstellerfirmen zu setzen und abzuwarten, bis individualisierte Lösun- gen kostengünstig und unkompliziert verfügbar sind. Folgende Innovationen werden aus seiner Sicht schon bald zum pharmazeutischen Alltag gehören. Vollautomatisierte Bestandsverwaltung Den Bedarf an einzelnen Medikamenten vorherzusagen und Bestellmengen einzuschätzen, das sind Aufgaben, die viel Zeit kosten. Zukünftig sollen dafür Prof. Dr. med. Klaus Juffernbruch eine solche Lösung, die Mitte 2025 fertig werden soll. Für eine optimierte Nutzung müssen aber Daten von Herstellenden, Großhändlern und Apotheken noch zu- sammengeführt werden. Gut organisiert dank KI KI kann dabei helfen, gesetzliche Anforderungen einzuhalten, indem sie prüft, ob Prozesse und Dokumen- tationen den Vorgaben entsprechen. Sie übernimmt die Zeitplanung, führt Online-Recherchen durch und sortiert E-Mails. Rezept- und Abrechnungs- dokumente können von KI-Systemen digital verwaltet und archiviert werden und auch Lieferengpässe sollen sich mit KI vorbeugen lassen. Das kann gelingen, indem KI Lieferketten in der Pharma- industrie auf relevante Knotenpunkte untersucht, Engpässe früh bemerkt und Lösungsstrategien entwickelt. Wechselwirkungen im Check Wechselwirkungen und Kontra- indikationen einzelner Arzneien im Blick zu behalten, ist für das Apothekenteam fordernd. Auch hier kann KI helfen und – durch die Analyse großer Daten- mengen – potenzielle Risiken schnell identifizieren. Durch die zusätzliche Nut- zung von individuellen Patientendaten kann KI maßgeschneiderte Medikations- oder Gesundheitsempfehlungen geben. Es ist zudem denkbar, dass KI bei der Überwachung und Meldung von un- erwünschten Arzneimittelwirkungen im Rahmen der Pharmakovigilanz sowie bei AMK-Meldungen zum Einsatz kommt, um potenzielle Risiken frühzeitig zu er- kennen. KI-unterstützte Kommunikation KI-gesteuerte Sprachsysteme können bei Beratungsgesprächen in Apotheken mithören und Fragen vorschlagen, um eine lückenlose Differentialdiagnostik zu unterstützen oder Tipps geben, welche Arzneimittel individuell in Frage kommen. „Die Beratungsqualität lässt sich dadurch steigern“, ist sich Juffern- bruch sicher. Eine weitere Innovation sind Chat-Bots, die Apotheken auf ihrer Homepage anbieten können, um digitale Beratungsgespräche rund um die Uhr zu ermöglichen. Bei Bedarf bereiten die Bots Anfragen auch für die Übergabe an das Apothekenteam auf. Juffernbruch prognostiziert, dass zukünftig selbst Beratungstelefonate von KI-gesteuerter Sprachassistenz übernommen werden. „Das spart dem Apothekenteam wich- tige Zeit für den Kundenkontakt.“ Und der sei entscheidend, denn „mensch- liche Beziehungen lassen sich nicht ersetzen“, sagt er. Knackpunkt Datensicherheit Bevor künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt, braucht es klare Datenschutz- Richtlinien. Vertrauliche Daten dürften etwa nicht an ChatGPT gegeben werden, weil diese dann für das Training des Sys- tems gespeichert und verwendet werden könnten. „Am sichersten ist es, einen Chatbot in einer Umgebung zu hosten, in der Vertrauliches auch vertraulich bleibt“, sagt er. Insgesamt sieht Juf- fernbruch in allen Entwicklungen große Chancen: „KI kann die Beratungsqualität steigern, das Apothekenteam entlasten und dabei helfen, den Fachkräftemangel abzumildern“, ist er sich sicher.